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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 09.11.2006
Aktenzeichen: 9 W 28/06
Rechtsgebiete: BGB, HWiG, ZPO
Vorschriften:
BGB § 138 | |
HWiG § 1 | |
ZPO § 707 II 2 |
2. Zur Fortdauer der Überrumpelung bei einem Abstand von über acht Wochen zwischen Haustürsituation und angefochtenem Vertragsschluss.
3. Zur Frage, ob eine Ehefrau, die gemeinsam mit ihrem Ehemann einen Darlehensvertrag zum Erwerb eines Familienanwesen unterschreibt, als Mitdarlehensnehmerin oder lediglich als Mithaftende anzusehen ist.
Gründe:
1. Soweit sich die Antragsteller gegen den Beschluss des Landgerichts wenden, mit dem die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung zurückgewiesen wird, ist die Anfechtung analog § 707 II 2 ZPO von vornherein ausgeschlossen (vgl. Zöller-Herget ZPO, 25. Auflage, § 770 Rn 1).
2. Die nach § 127 II 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde der Antragsteller gegen die Ablehnung der Gewährung von Prozesskostenhilfe hat in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat das Prozesskostenhilfegesuch nach § 114 ZPO zu Recht zurückgewiesen, da die angestrebte Vollstreckungsgegenklage keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat.
a) Die Antragsteller können sich nicht auf ein Recht zum Widerruf des Darlehensgeschäfts nach dem HWiG berufen.
Zum einen kann - auch nach dem Vorbringen der Antragsteller in der Beschwerdeinstanz - weiterhin nicht vom Vorliegen einer Haustürsituation ausgegangen werden, schon gar nicht in Bezug auf die Antragstellerin zu 1).
Zum anderen wäre eine Haustürsituation - sollte sie überhaupt vorgelegen haben - für den Abschluss des Darlehensvertrages jedenfalls nicht mehr ursächlich gewesen.
Ein Widerrufsrecht des Verbrauchers aus § 1 I Nr. 1 HWiG besteht nur, wenn er durch mündliche Verhandlungen in einer Haustürsituation zu seiner späteren Vertragserklärung bestimmt worden ist. Dabei genügt es, dass er in eine Lage gebracht worden ist, in der er in seiner Entschließungsfreiheit, den ihm später angebotenen Vertrag zu schließen oder davon Abstand zu nehmen, beeinträchtigt war (BGH Urteil vom 20.1.2004, XI ZR 460/02; Urteil vom 8.6.2004, XI ZR 167/02; Urteil vom 9.5.2006, XI ZR 119/05). Die Willenserklärung des Verbrauchers muss im entscheidenden Beweggrund durch die Haustürsituation veranlasst worden sein. Auch wenn dabei eine Mitverursachung genügt, so ist doch erforderlich, dass der Vertrag ohne die Überrumpelung nicht oder zumindest nicht so zustande gekommen wäre. Ist die Vertragserklärung nicht unmittelbar in der Haustürsituation, sondern zeitlich danach abgegeben worden, muss im Einzelfall geprüft werden, ob das durch die Verhandlungen in der Privatwohnung geschaffene Überraschungsmoment noch fortgewirkt hat. Dazu ist enger zeitlicher Zusammenhang nicht unbedingt erforderlich (BGH Urteil vom 26.10.1993, XI ZR 42/3; Urteil vom 16.1.1996, XI ZR 116/95; Urteil vom 20.5.2003, XI ZR 248/02). Liegt er vor, so ist auf das Fortwirken zwingend zu schließen. Mit zunehmendem zeitlichen Abstand aber nimmt die Indizwirkung ab und entfällt schließlich ganz (BGH Urteil vom 21.1.2003, XI ZR 125/02; Urteil vom 20.5.2003, XI ZR 248/02; Urteil vom 22.10.2003, IV ZR 398/02; Urteil vom 9.5.2006, XI ZR 119/05). In diesen Fällen kann auf die Kausalität der Überrumpelung nur noch durch Würdigung aller Umstände im Einzelfall geschlossen werden. Welcher Zeitraum hierfür erforderlich ist und welche Bedeutung anderen Umständen im Rahmen der Kausalitätsprüfung zukommt, ist Frage der Würdigung des konkreten Einzelfalles, die jeweils dem Tatrichter obliegt und die in der Revision nur beschränkt überprüft werden kann (BGH Urteil vom 21.1.2003, XI ZR 125/02; Urteil vom 18.3.2003, XI ZR 188/02; Urteil vom 20.5.2003, ZR 248/02; Urteil vom 22.10.2003, IV ZR 398/02; Urteil vom 20.1.2004, XI ZR 460/02; Urteil vom 9.5.2006, XI ZR 119/05), so dass insoweit den einschlägigen Entscheidungen des BGH nur bedingte Aussagekraft zukommt. In diesen Entscheidungen hat der BGH bislang offen gelassen, ob ein Anscheinsbeweis zugunsten des in einer Haustürsituation geworbenen Verbrauchers nach der allgemeinen Lebenserfahrung gewöhnlich schon nach einer Woche entfällt (BGH Urteil vom 9.5.2006, XI ZR 119/05), hat aber einen Zeitraum von knapp drei Wochen hierfür jedenfalls dann ausreichen lassen, wenn weitere, den Kausalverlauf in Frage stellende Umstände hinzutreten (BGH Urteil vom 9.5.2006, XI ZR 119/05).
Im vorliegenden Fall kann hiernach von einer Kausalität der Haustürsituation für den späteren Abschluss des Darlehensgeschäfts nicht mehr ausgegangen werden. Die Vorgänge um die Herren A, B und C sollen sich nach dem Vortrag der Antragsteller im .../... 1994 ereignet haben; der Vertragsschluss fand erst rund acht Wochen später statt, nämlich im ... 1994.
Eine Kausalität der Haustürsituation für den Abschluss der Darlehensverträge ergibt sich auch nicht aus den von den Antragstellern vorgetragenen weiteren Umständen - im Gegenteil: Die Antragsteller haben sich gar nicht wie überrumpelte Verbraucher verhalten. Sie haben die Darlehen vielmehr über Jahre hinweg bedient und noch im September 2002 einen weiteren Darlehensvertrag mit der Antragsgegnerseite geschlossen. Erst Jahre nach dem ersten Vertragsschluss, nachdem sie offenbar in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten waren, haben sie einen Widerruf nach dem Haustürwiderrufsgesetz erklärt.
b) Die Antragstellerin zu 1) kann sich auch nicht auf eine sittenwidrige Überforderung bei der Übernahme der Verpflichtungen aus dem Darlehensgeschäft berufen. Zwar ist es denkbar, dass ein Darlehensvertrag wegen krasser Überforderung des Schuldners nach § 138 BGB nichtig ist. Der Mitunterzeichner eines Darlehensvertrages ist aber dann nicht geschützt, wenn er nicht nur Mithaftender, sondern gleichberechtigter (Mit-)Darlehensnehmer ist. Dies ist dann der Fall, wenn er ein eigenes - sachliches und/oder persönliches - Interesse an der Darlehensgewährung hat und als im Wesentlichen gleichberechtigter Partner über die Auszahlung sowie die Verwendung der Darlehensvaluta mitentscheiden darf (BGH vom 28.5.2002, XI ZR 205/01 = NJW 2002, 2705). Diese Voraussetzungen treffen auf die Antragstellerin zu 1) zu (für einen ähnlichen Fall auch OLG Köln WM 2202, 123).
So ergibt sich aus ihren Einlassungen im Schreiben vom 5.10.2005 an das Vollstreckungsgericht (Bl. 10 j / 10 k d.A.), dass die Antragstellerin zu 1) - anders als die Beklagte in dem vom BGH verhandelten vorgenannten Fall - mit der Verwendung des Darlehens für den Kauf des Anwesens X einverstanden war. Dass sie hierzu erst von ihrem Ehemann - dem Antragsteller zu 2) - überredet werden musste, spielt dabei keine Rolle.
Im Übrigen hatte die Antragstellerin zu 1) ein persönliches Interesse an der Darlehensgewährung, da auch sie - wie ihre gesamte Familie - in dem Anwesen leben wollte und bis heute wohnt. Einen nur "flüchtigen mittelbaren Vorteil" vermag der Senat darin nicht zu sehen, zumal die Antragstellerin zu 1) - anders als die Beklagte in dem vom BGH verhandelten Fall - auch Miteigentümerin des streitbefangenen Anwesens geworden ist.
Schließlich ist nicht ersichtlich, dass die Antragstellerin zu 1) keinen Einfluss auf die Auszahlung und Verwendung des Darlehens hat nehmen können. Die Federführung mag bei dem Antragsteller zu 2) gelegen haben, gleichwohl war der Erwerb des Anwesens und die dafür erforderliche Finanzierung durch die Beklagte ein gemeinsam gewolltes Vorhaben beider Antragsteller. Dies muss selbst dann angenommen werden, wenn die Antragstellerin zu 1) von Anfang an gezweifelt haben sollte, ob ihre Familie der finanziellen Belastung aus dem Erwerb des Anwesen wirtschaftlich gewachsen sein würde. Anders als in dem vom BGH unter dem 28.5.2002 entschiedenen Fall haben nämlich die Antragsteller das Anwesen erst nach Abschluss der Darlehensverträge mit der Beklagten durch notariellen Kaufvertrag vom 16.12.1994 erworben.
Eine Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens bezüglich der angefochtenen Prozesskostenhilfeentscheidung des Landgerichts ist nach § 127 IV ZPO entbehrlich. Im Übrigen folgt die Kostenentscheidung aus § 97 ZPO (vgl. Zöller-Herget ZPO, 25.Auflage, § 769 Rn 11).
Ende der Entscheidung
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